Wirtshausgeschichte(n) - Als Pferde und
Ochsen die Zecher nach Hause brachten. Lichtensteiner Lokalitäten
Als
die Krone zum Schützen wurde
VON
GERT LINDEMANN
LICHTENSTEIN. Auf sein Archiv
ist der Geschichts- und Heimatverein schon ein bisschen stolz. Die
vereinseigene Sammlung umfasst inzwischen weit über 1 000 Bilder. Hinzu
kommen zahlreiche Dokumente, Akten und vieles mehr. Sein Umfang ist nicht
zuletzt den fleißigen Recherchen von Wilhelm Reiff, Gemeindearchivar und
Mitglied im Geschichtsverein, zu verdanken.
Aus diesem Fundus haben die Aktiven
des Geschichtsvereins Werner Vöhringer (Vorsitzender), Günther Frick,
(Stellvertreter), Gert Lindemann (Schreiber), Winfried Reiff (Reproexperte)
und Willy Hohloch (Kalligraphie) eine Arbeit über das Lichtensteiner
Wirtschaftsgewerbe zusammengestellt, das die historischen Stationen der
hiesigen Lokalitäten beleuchtet und mit ihrem Erscheinungsbild in heutiger
Zeit vergleicht.
Gemeindearchivar
Reiff hat durch intensives Quellenstudium in den Gemeindeakten wesentlich
zur Aufklärung beigetragen. Als besonders ergiebig erwiesen sich dabei die
Bau- und Gebäudekataster, Gebäudebrandversicherungsprotokolle,
Gewerbesteuerunterlagen, Gewerbe-Anzeigen sowie Erlaubnisurkunden der
Alt-Registratur, aus denen sich die Chroniken der Häuser zum Teil bis
Anfang 1800 zurückverfolgen ließen.
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Die "neue Krone von Wagner Ludwig Haid" in
der Rathausstraße Unterhausen (um 1905) - heute Gasthaus Schützen,
Holzelfingerstraße
FOTO: PR |
Viertele für neunzig Pfennig
Fotos, zum Teil aus privater
Hand, Postkarten und ehemalige Werbeprospekte, Besitzurkunden,
Schanklizenzen und Umsatzsteuererklärungen der heute Hotel, Gasthof und
Café genannten Unternehmen, halfen ebenfalls weiter, eine Zeit
nachzuzeichnen, in der ein Viertele Rotwein zwischen neunzig Pfennig und
zwei Mark, ein Wiener Rostbraten genau drei, warmer Leberkäse eine Mark
und Ananas mit Sahne sechzig Pfennig kosteten.
Nicht
zu vergessen die Prominenz, die in den Gasthöfen Lichtensteins abstieg:
Neben der deutschen Fußball-Nationalmannschaft fand einst auch Tenor
Rudolf Schock beispielsweise den Weg in das Albhotel Traifelberg. Mit John
Shalikashvili durfte das Hotel "Adler" in Honau sogar den
jetzigen Stabschef des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton bewirten,
als dieser kurz vor seiner Ernennung hohe NATO-Offiziere zu einem
Abschieds-Gala-Diner ins Ländle einlud.
Backofen-Bau-Erlaubnis
Die erste urkundlich erwähnte
"Krone" wurde um 1785 erbaut. Sie befand sich gleich neben dem
heutigen "Schützen" in der Holzelfinger Straße (Nr.19) und
musste 1975 dem Straßenbau weichen. In einem Situationsplan vom 16.
August 1836 ist ein "Wirtschaftszimmer" eingetragen und eine
"Bau-Erlaubnis zum Bau eines Backofens" vom 18. August 1836
sowie Eich-Protokolle in der Zeit von 1840 bis 1847 (12 Kontrollen) weisen
Johannes Reiff als "Kronenwirth" aus.
1905 erscheint Stephan Preusch,
Privatier, als Besitzer des Gebäudes Nr.19 in einem Schätzungsprotokoll.
Es wird auch erwähnt, dass das Gebäude 120 Jahre alt ist und somit im
Jahr 1785 erbaut worden sein muss. 1922 gibt es in diesem Haus eine
Werkstatt und einen Ladeneinbau, anstelle von zwei Zimmern und Küche.
Besitzerin Erika Vollmer. In einem Steuerbuch, ebenfalls aus 1922,
erschienen "Vollmer Flaschners Eheleute" als die Besitzer. Es
kann davon ausgegangen werden, dass der Wirtschaftsbetrieb spätestens mit
der Eröffnung der neuen Krone 1906, vermutlich jedoch schon früher
eingestellt wurde. In einem Schätzungsprotokoll zur
Gebäudebrandversicherung von 1864 wird ein Mathäus Reiff genannt, dessen
Beruf mit Weber angegeben ist.
Die neue Krone wurde von Wagner
Ludwig Haid 1905 in der Rathausstraße 17 erbaut. Er erhielt am 13.
Dezember 1906 die "Koncession in 2 Zimmern EG und 2 Zimmern 1. Stock
für Wein, Bier und Branntwein". Am 6. März 1920 erhielt die
Gastwirtschaft auch die "Genehmigung zur Beherbung von Fremden für 3
Fremdenzimmer".
Ab
dem 15. Dezember 1924 wurde der Witwe Christiane Haid geb. Harr, für die
Dauer ihrer Witwenschaft die Erlaubnis für das Fortführen der
Gastwirtschaft erteilt. Die Krone war bis 1954 im Besitz der Familien Haid.
Internationaler Charakter
Der Musiker Alfred Raach erhielt
am 26. Februar 1951 eine Wirtschaftsberechtigung für "1
Wirtschaftsraum, 1 Nebenzimmer, 1 Fremdenzimmer im EG, ein Wirtschaftssaal
und einem Fremdenzimmer im 1. Stock und einem Fremdenzimmer im 2. Stock.
Ausschank für Wein, Bier, Branntwein und nichtgeistige Getränke jeder
Art". Bereits am 4. Dezember 1951 löste Hans Reiff, Eisenhobler,
Raach als Pächter ab.
Auf ihn folgte am 14. April 1954
als neuer Besitzer Anton Wienerroither, dem am 21. Oktober 1954 das Recht
zum Betreiben der Krone erteilt wurde. Die "Krone" wurde noch am
selben Tag in "Schützen" umbenannt. Von
1973 bis 1988 übernahm Rosa Wienerroither als Wirtin das Ruder, das sie
an ihren Sohn Josef übergab. Sie verstarb 1994.
Theo Altiparmakis, der den
Schützen 1989 zunächst in Pacht übernommen hatte, kaufte das Gebäude
Holzelfinger Straße 17 vor drei Jahren und unterzog es einer gründlichen
Renovierung. Mit den angebotenen griechischen Spezialitäten ist
"Theo", ein fester Bestandteil der Lichtensteiner Gastronomie,
die insgesamt längst internationalen Charakter erreicht hat. (GEA) |