Pressestimmen

 

Reutlinger Nachrichten / Südwestpresse:
Aus Stadt und Kreis Reutlingen / 16.11.1996

Reutlinger Nachrichten - Südwestpresse
 

MUNDART: "Ebbes Schwäbisch's em November" beim Geschichts- und Heimatverein
Schdoorakischda stupfa ond "Hindersche" vier"

 

LICHTENSTEIN.  Eine "Schwäbische Stunde" versprach der Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein seinen Gästen der Mundartveranstaltung "Ebbes Schwäbisch's em November" jüngst Im Johann-Jakob-Rösch-Gemeindehaus in Unterhausen. Daß daraus gut zweieinhalb Stunden humorvolle und stimmungsreiche Unterhaltung wurden, ist den Interpreten des Abends, dem Schwäbischen Mundartdichter Wilhelm König und der Gruppe "Hindersche vier" zu verdanken, die sich den zahlreichen Freunden und Mitgliedern als perfekt aufeinander eingespieltes Team präsentierten. Gekonnt warfen sie sich auf der Bühne die literarisch-musikalischen Bälle zu und bezogen dabei auch die Zuhörer geschickt mit ein.

Mit einem sehr tiefgründigen, hintersinnigen Humor bewegte sich Wilhelm König auf sein Publikum zu. Wer simple Plattitüden erwartet hatte, wurde enttäuscht. Der Reutlinger Schriftsteller (aber gebürtige Dettinger) zwang sein Publikum zum Nachdenken. Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund, wenn er den verhochdeutschten Schwaben einen Spiegel vorhielt: Mag man sich auch noch so bemühen, den Schwaben zu verleugnen, durch ein unbedacht geäußertes "Haedanae" ist die ganze Mühe umsonst.

Wend omoola

Mit einem breiten Spektrum seines Schaffens vermittelte König Einblicke in die schwäbische Seele und ihre Wesensart. Ob es nun kleinere Geschichten (Räagadaag) oder kurze Sprüche (dees semmr de Räachde, ondram Solariom brooda, abr nochr an de Schwaaze koe guads Häarle lao!) sind, bleibt dem Zuhörer auch schon einmal das Lachen im Halse stecken. Auch Vergleiche mit der vermeintlich guten alten Zeit scheut er nicht, wenn er die Frage stellt, was denn nun besser sei, "wia heit mit Coladosa romkigga ond Wend omoola oder wia friar Schdoorakischda raaschdubfa und Schdrooßalamba ra schiaßa".
     Auch die kleineren Querelen zwischen verschiedenen Ortschaften läßt König nicht außen vor: Beliebtes Spiel seines Spotts: die alte Fehde zwischen Aurich (Urach) und Dettingen. König lästert zwar über seine Wahlheimat Reutlingen und ihre Einwohner, läßt aber doch nichts auf sie kommen, obwohl er mit Leib und Seele Dettinger ist.
     Ein brillantes Feuerwerk schwäbsicher V(F)olkslieder brannte die Gruppe "Hindersche vier" ab. Das Quartett begeisterte sein Publikum durch seine Spielfreude, die manchen Profis gut zu Gesicht stehen würde. Ihre Musik betreiben sie im ureigensten Sinne des Wortes als Amateure: Liebhaber einer Musik, die, wenn man es aus der Musikgeschichte nicht besser wüßte, die Wurzeln des Blues in der schwäbischen Seele vermuten ließen. "Hindersche vier", das sind Johann Hahn, Gesang und Gitarre, Ernst Knorpp, Ukulele(le), Dieter Hildenbrand, Kontrabaß, und Detlef Wieland, Bluesharp (oder auch "Goschahobel"). Alle vier aus dem Heilbronner Umland, mit beiden Beinen im Berufsleben stehend, treffen sie sich seither zu besonderen Anlässen, um ihrer gemeinsamen Leidenschaft zu frönen: dem schwäbischen "Folks"lied.
     Ihre Liebe zu schwäbischen Texten wurde hauptsächlich durch den Stettener Mundartdichter Josef Kaltenmaier geprägt, der dem Quartett auch zu seinem eigenwilligen Namen verhalf. Auf gemeinsamen Auftritten charakterisierte dieser seine Texte gerne als "verdreht, ieberzwerch oder hindersche für". Da diese. Attribute auch für ihre Musik paßten, blieb das "hindersche" hängen, und aus "für" wurde "vier". "Hindersche vier" eben. Dies drückt sich auch in ihren sogenannten Liederzyklen aus. Entstand das "Berglied" aus dem Zyklus "Lieder fremder Völker" (Österreich) als Antwort auf das ewige "Kufsteinlied", so beschreibt das Lied "Mama, was hend se do mit deim Bua" aus dem Zyklus "Frauenlieder" durchaus hintergründig, wie übertriebener elterlicher Ehrgeiz zu Fehlentwicklung und zwangsläufig zum Kollaps führen muß.
     Neben eigenen Texten, die Hahn musikalisch unterlegt, nehmen sie aber auch Anleihen von so berühmten Vorbildern wie Manfred Hepperle ("Rega Reggea"), Sebastian Blau ("Nepomuklied"), Harald Immig ("Mostlied") und Wolle Kriwanek. Doch auch der ehemalige Bürgermeister von Wüstenrot steht als Ghostwriter Pate wie bei dem Lied "Hi gut Württemberg allewege" mit dem Untertitel: "Mir Schwoba hocket überall auf dera Welt" Dank der ausgeprägten Naturstimme Hahns, die in abgrundtiefe Baßlagen noch klar intoniert, präsentieren sich die Liedertexte auch für die Zuhörer in den hinteren Reihen noch gut verständlich.

Schwarzer Blues

Musikalisch reicht ihr Repertoire von schwärzestem Blues über fetzigen Rock hin zu gefühlvollen Balladen. Wo ihre Vorliebe liegt, wird spätestens bei ihren ausgedehnten Vorspielen klar (je länger 's Vorspiel, omso scheener dr Blues!). Detlef Wieland spielt dazu eine leidenschaftliche Bluesharp, die einem eiskalte Schauer über den Rücken treibt (Altvater John Mayall läßt grüßen). Das Ukulele(le) von Ernst Knorpp ergänzt das Zusammenspiel besonders dann hervorragend, wenn etwas ausgefallene Rhythmen angesagt sind wie etwa beim "Rega Reggae".
     Ein solides Baßfundarnent legt der Kontrabaß von Dieter Hildenbrand, der nicht nur musikalisch den Kontrapunkt im Liedvortrag setzt. Er beherrscht sein Instrument virtuos, spielt es aber mit gekonnt versteinerter Miene, in der sich auch dann noch keine Gefühlsregung zeigt, wenn das Publikum bereits "auf den Bänken" ist. Ein humorloser Mensch? Mitnichten, entpuppt er sich doch in der Pause und nach dem Auftritt erst als wahrer Spaßmacher.
     Wie der Organisator der Mundartreihe "Ebbes Schwäbisch's em November", Gert Lindemann, bereits in seiner Begrüßung feststellte, hat sich inzwischen so etwas wie eine freue Fangemeinde innerhalb der Zuhörer gebildet. Nicht zuletzt hierdurch hat sich der Mundartabend bereits fest im kulturellen Geschehen in der Gemeinde etabliert. Der Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein ist darauf bedacht, den Charakter und den Anspruch dieser Reihe konsequent fortzusetzen und hofft auch im nächsten Jahr wieder auf reges Interesse.

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Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein e.V., Ludwigstraße 8, 72805 Lichtenstein